Blick über Lörrach

Willkommen im Feld

von Marie Graef

Da ich zu Transformationswissen in Verwaltungen forsche, verbringe ich gerne auch mal länger Zeit in meinen Fallstudienstädten. So kann ich den Alltag vor Ort besser kennenlernen. Durch Interviews lerne ich sehr viel, besonders spannend sind aber auch die Einblicke, die ich erhalte, wenn Städte mir ein Praktikum bei sich in der Verwaltung ermöglichen.

Letztes Jahr konnte ich bereits ein Forschungspraktikum in meiner ersten Fallstudienstadt machen, jetzt war ich vier Wochen in meiner zweiten Fallstudienstadt im Fachbereich für Mobilität und Klimaschutz. Kolleg:innen staunen oft, wenn ich über meine Forschung spreche und erzähle, wie offen ich in den Mittelstädten empfangen werde. Nach einer Mail und einem Telefonat hatte ich die Zusage erhalten, vor Ort saß ich dann mit eigenem Schreibtischplatz mittendrin im Geschehen und wurde von Anfang an fast täglich in Sitzungen mitgenommen… und gerne auch mal zum gemeinsamen Mittagessen.

 

Das Verlassen des heimischen Schreibtischs (oder nach Ethnografie-Pionier Malinowski des „Liegestuhls auf der Veranda“) zugunsten von Feldforschung gehört zu den wichtigen Grundsätzen des ethnografischen Arbeitens. Ich habe mich für ein ethnographisches Vorgehen entschieden, weil ich mir dadurch ein komplexes Verständnis für die alltägliche Lebensrealität in der Verwaltung erarbeiten möchte – jenseits von Klischees und über bekannte wissenschaftliche Theorien hinaus. Vieles, was ich in Interviews bereits gehört hatte, konnte ich dadurch illustrieren. Manchmal fallen mir aber auch Widersprüche auf und ich habe die Möglichkeit nachzufragen und im nächsten Interview meine Fragen anders zu stellen.

 

In der Wissenschaftsliteratur klingt das dann übrigens so: „Das Skalierungsniveau der Ethnografie bezieht sich auf den Bereich gelebter und öffentlich praktizierter Sozialität, der gewissermaßen auf halber Strecke zwischen den Mikrophänomenen der Interaktionsanalyse und den Makrophänomenen der Sozialstrukturanalyse komplexer Gesellschaften angesiedelt ist.“ (Breidenstein et al. 2020, S. 36)

 

Der Zugang zum Feld ist eine grundlegende Voraussetzung, damit solche Forschung gelingt und häufig nicht leicht herzustellen. Schließlich haben alle viel zu tun, Zeit und Platz sind im Gegensatz zum Wissensdurst der Doktorierenden begrenzt und einen Nutzen aus Dissertationen zieht oft eher die Wissenschaft als die Praxis. Auch wenn wir das mit der transformativen Forschung versuchen anders zu machen und stärker mit Praxisakteur:innen zusammenzuarbeiten, schenken die uns ohne eine Gegenleistung einen beträchtlichen Teil ihrer Zeit.

 

Um so weniger betrachte ich den herzlichen Empfang als eine Selbstverständlichkeit! Also: An dieser Stelle nochmal ein riesiges Danke an alle Verwaltungsmitarbeitenden, die uns für unsere Forschungen so bereitwillig die Tür öffnen!